German

An die ferne Geliebte

I

Auf dem Hügel sitz ich spähend
In das blaue Nebelland,
Nach den fernen Triften sehend,
Wo ich dich, Geliebte, fand.
 
Weit bin ich von dir geschieden,
Trennend liegen Berg und Tal
Zwischen uns und unserm Frieden,
Unserm Glück und unsrer Qual.
 
Ach, den Blick kannst du nicht sehen,
Der zu dir so glühend eilt,
Und die Seufzer, sie verwehen
In dem Raume, der uns teilt.
 
Will denn nichts mehr zu dir dringen,
Nichts der Liebe Bote sein?
Singen will ich, Lieder singen,
Die dir klagen meine Pein!
 
Denn vor Liedesklang entweichet
Jeder Raum und jede Zeit,
Und ein liebend Herz erreichet
Was ein liebend Herz geweiht!

II

Wo die Berge so blau
Aus dem nebligen Grau
   Schauen herein,
Wo die Sonne verglüht,
Wo die Wolke umzieht,
   Möchte ich sein!
 
Dort im ruhigen Tal
Schweigen Schmerzen und Qual.
   Wo im Gestein
Still die Primel dort sinnt,
Weht so leise der Wind,
   Möchte ich sein!
 
Hin zum sinnigen Wald
Drängt mich Liebesgewalt,
   Innere Pein.
Ach, mich zög's nicht von hier,
Könnt ich, Traute, bei dir
   Ewiglich sein!

III

Leichte Segler in den Höhen,
Und du, Bächlein klein und schmal,
Könnt mein Liebchen ihr erspähen,
Grüßt sie mir viel tausendmal.
 
Seht, ihr Wolken, sie dann gehen
Sinnend in dem stillen Tal,
Laßt mein Bild vor ihr entstehen
In dem luft'gen Himmelssaal.
 
Wird sie an den Büschen stehen,
Die nun herbstlich falb und kahl,
Klagt ihr wie mir ist geschehen,
Klagt ihr, Vöglein, meine Qual!
 
Stille Weste, bringt im Wehen
Hin zu meiner Herzenswahl
Meine Seufzer, die vergehen
Wie der Sonne letzter Strahl.
 
Flüstr' ihr zu mein Liebesflehen,
Laß sie, Bächlein klein und schmal,
Treu in deinen Wogen sehen
Meine Tränen ohne Zahl!

IV

Diese Wolken in den Höhen,
Dieser Vöglein muntrer Zug
Werden dich, o Huldin, sehen -
Nehmt mich mit im leichten Flug!
 
Diese Weste werden spielen
Scherzend dir um Wang und Brust,
In den seidnen Locken wühlen -
Theilt ich mit euch diese Lust!
 
Hin zu dir von jenen Hügeln
Emsig dieses Bächlein eilt.
Wird ihr Bild sich in dir spiegeln -
Fließ zurück dann unverweilt!

V

Es kehret der Maien, es blühet die Au,
Die Lüfte, sie wehen so milde, so lau.
Geschwätzig die Bäche nun rinnen;
Die Schwalbe, die kehret zum wirtlichen Dach,
Sie baut sich so emsig ihr bräutlich Gemach,
Die Liebe soll wohnen da drinnen.
 
Sie bringt sich geschäftig von Kreuz und von Quer
Manch weicheres Stück zu dem Brautbett hieher,
Manch wärmendes Stück für die Kleinen.
Nun wohnen die Gatten beisammen so treu,
Was Winter geschieden, verband nun der Mai,
Was liebet, das weiß er zu einen.
 
Es kehret der Maien, es blühet die Au,
Die Lüfte, sie wehen so milde, so lau.
Nur ich kann nicht ziehen von hinnen.
Wenn alles, was liebet, der Frühling vereint,
Nur unserer Liebe kein Frühling erscheint,
Und Tränen sind all ihr Gewinnen.

VI

Nimm sie hin denn, diese Lieder,
Die ich dir, Geliebte, sang,
Singe sie dann abends wieder
Zu der Laute süßem Klang.
 
Wenn das Dämmrungsrot dann ziehet
Nach dem stillen blauen See,
Und sein letzter Strahl verglühet
Hinter jener Bergeshöh;
 
Und du singst, was ich gesungen,
Was mir aus der vollen Brust
Ohne Kunstgepräng erklungen,
Nur der Sehnsucht sich bewußt:
 
Dann vor diesen Liedern weichet,
Was geschieden uns so weit,
Und ein liebend Herz erreichet
Was ein liebend Herz geweiht.
 
–– Aloys Jeitteles
English

To the Distant Beloved

I

On the hill I sit, gazing
Into the blue misty land,
Looking toward the distant meadows
Where I found you, beloved.
 
Far am I separated from you,
Mountain and valley intervene
Between us and our peace,
Our happiness and our sorrow.
 
Ah, you cannot see the gaze
Which hastens to you with such fire,
And my sighs are scattered
In the space which divides us.
 
Will then nothing more reach you,
Will nothing be a messenger of love?
I will sing, then, sing songs
Which tell you of my anguish.
 
For before the sounds of song
All space and time vanish.
And a loving heart is reached
By that which a loving heart has dedicated.

II

Where the blue mountains
Out of the grey mists
   Look toward me,
Where the sun's rays fade,
Where the clouds roll by -
   There I would like to be!
 
There, in the silent valley,
Pain and anguish cease.
    There, among the rocks,
The quiet primrose meditates,
The wind blows so softly -
    There I would like to be!
 
To the pensive woods
I am driven by the power of love,
   By my inner pain.
Ah, I would not be drawn from here
If, my love,
   I could be with you forever!

III

Light clouds sailing on high,
And you, narrow little brook,
If you spy my sweetheart,
Bring her a thousand greetings.
 
If, clouds, you see her walking
Thoughtfully in the quiet valley,
Let my image rise before her
In heaven's airy hall.
 
If she be standing by the bushes
Now yellow and pale with autumn,
Tell her of my fate,
Tell her, birds, of my torment.
 
Soft westwinds, waft
Toward the one my heart has chosen,
Waft my sighs, which fade
Like the sun's last rays.
 
Whisper to her my loving supplications,
Let her, narrow little brook,
Truly see in your waves
My numberless tears!

IV

These clouds on high,
This cheerful flock of birds,
They will see you, gracious one -
O take me on your effortless flight!
 
These westwinds will merrily play
About your cheek and bosom,
They will ruffle your silken tresses -
If only I could share such joy!
 
From the hills to you
This brook eagerly hastens.
If her image is mirrored in your waters -
Flow back without delay!

V

May is returning, the meadow blooms,
The winds blow mild and warm.
The brook flows babbling;
The swallow, returning to the roof,
Eagerly builds her bridal chamber;
Love shall dwell within.
 
She busily brings from here and there
Soft scraps for her bridal bed,
Warm scraps for the little ones.
Now the pair lives faithfully together,
What winter divided, May has joined;
May knows how to bring lovers together.
 
May is returning, the meadow blooms,
The winds blow mild and warm.
But I cannot journey from here.
While spring is uniting all who love,
Our love alone knows no spring,
And tears are its only gain.

VI

Accept, then, these songs
Which I have sung to you.
Sing them in the evening
To the sweet sound of the lute.
 
As evening's red glow passes
Over the still blue lake,
And its last ray fades
Behind the mountain tops;
 
And you sing what I have sung,
What flowed from my heart
Without art or show,
Aware only of longing:
 
Then will that which divides us
Yield before these songs,
And a loving heart will be reached
By that which a loving heart has dedicated.